Vor kurzem ging ich in die Drogerie, um mir eine nachhaltige Körperseife zu kaufen. Eine fiel mir sofort ins Auge: ökologisch dreinblickende Pappverpackung, hergestellt aus nachhaltigem Palmöl, außerdem werden mit jeder Seife Obdachlose unterstützt. „Wow!“, dachte ich mir und durfte daheim feststellen, dass die Seife von Unilever ist. Das weckte Zweifel in mir: Was von der Werbung auf der Verpackung ist wirklich wahr, was Werbemasche mit schnell verpuffendem Effekt? Wer sich mal mit Unilever beschäftigt hat, kennt die Antwort. Das Problem ist: Ich bin erstmal drauf reingefallen (auch wenn ich die Seife nie wieder kaufen werde) und musste mich erst genauer informieren, um die Wahrheit herauszufinden. Dabei habe ich gelernt, jede noch so nachhaltige Werbung doppelt zu hinterfragen. Denn oftmals steckt hinter solchen nachhaltigen Werbebotschaften Greenwashing, also PR und Marketing von Unternehmen, um sich in der Öffentlichkeit sozialer und umweltfreundlicher darzustellen als sie es eigentlich sind. Wer glaubt, Unilever ist ein sozialverantwortliches Unternehmen und hilft Obdachlosen von der Straße, ist leider auf die Greenwashing-PR des Megakonzerns reingefallen. Doch Greenwashing zu erkennen ist oftmals gar nicht so einfach.
Außen grün, innen faul
Nehmen wir mal an, Unilever hat wirklich nachhaltige Produkte im Angebot und die werden großflächig beworben. Damit versucht der Konzern dennoch über den Fakt hinwegzutäuschen, dass der Großteil der Produktpalette eben nicht nachhaltig ist – sondern potenziell umweltschädlich. Mit Greenwashing-Kampagnen zielen Unternehmen auf ein „grüneres Image“ in der Öffentlichkeit ab. Der Begriff geht auf das Jahr 1986 zurück und wurde vom Umweltaktivisten Jay Westervelt geprägt. Damals kritisierte er eine Hotelkette: Die warb mit großen Worten für den Schutz eines regionalen Naturschutzgebietes, plante aber gleichzeitig in genau diesem Areal neue Anlagen.
Greenwashing betreiben vor allem die Unternehmen, die es am nötigsten haben. So stellte Coca-Cola einst die „erste Getränkeflasche vor, die unter Nutzung von Plastikmüll von Stränden und aus dem Meer hergestellt wurde.“ Eine gute Nachricht! Zumindest auf den ersten Blick. Coca-Cola will sich damit vor allem in ein besseres Licht rücken und das Image schärfen, das Unternehmen setze sich für die Rettung der Welt ein. Blöd nur, dass der Konzern entscheidenden Anteil am hohen Plastikgehalt unserer Weltmeere trägt. Der Prototyp der Flasche bestehe zwar immerhin aus bis zu 25 Prozent Meeresplastik, doch „aktuell ist kein Verkauf im Handel geplant.“ Und so bleibt von der revolutionären Nachricht am Ende nur ein vages Versprechen für die Zukunft, wie sie nur allzu gerne von den großen Konzernen gemacht werden, während im Hintergrund mit Lobbyarbeit das Gegenteil angestrebt wird. (Hier gibt es noch ein gutes Video von Simplicissimus über Coca-Cola und die Weltmeere.)
Subtile Manipulation
Greenwashing kann aber auch weniger manipulativ betrieben werden. Manche Haarsprays warben bis vor ein paar Jahren immer noch mit der Botschaft „FCKW-frei“. Das Ozonloch verursachende Treibgas ist aber schon seit Anfang der 1990er verboten – für Unwissende klingt es trotzdem nach einer nachhaltigen Botschaft. Oder Airlines, die wie selbstverständlich den CO²-Ausstoß der Flüge ihrer Kunden mit Spenden an Klimaschutzorganisationen kompensieren wollen. Schön und gut, aber der Umweltschaden ist trotzdem da und Fliegen wird dadurch nicht nachhaltiger, auch wenn die Fluggäste jetzt mit einem besseren Gewissen fliegen. Nicht zu vergessen: Die Airline verdient die ganze Zeit mit.
Der wichtigste und gleichzeitig schwierigste Teil beim Erkennen von Greenwashing ist das kritische Hinterfragen. Unternehmen können eine Menge Versprechen geben – etwa, wenn es um Herstellung oder Lieferketten geht. Doch wir als Konsumenten können diese nur bedingt kontrollieren und geben dem jeweiligen Anbieter einen Vertrauensvorschuss, auch weil wir mit der Kaufentscheidung ein gutes Gewissen bekommen. Unternehmen profitieren von dieser Unwissenheit und kleiden sich in unserem naiven Vertrauen. All die Beispiele zeigen: Grüne Werbebotschaften und -absichten von Unternehmen müssen stets hinterfragt werden. Ob es ein Unternehmen wirklich ernst meint, kann niemand kontrollieren. Aber wer will schon gerne bewusst getäuscht werden? Daher gibt es ein paar Anhaltspunkte, die Sie beim Greenwashing-Verdacht unter die Lupe nehmen können.
Die Wortwahl entscheidet
Um Produkte besser zu vermarkten, kommen oftmals Werbephrasen ins Spiel. Viele Begriffe sind allerdings ungeschützt, sind also frei von Kriterien und gesetzlichen Regulierungen und sagen letztendlich nichts aus. Achten Sie daher genau auf Wortlaut und Wortwahl. Bei generischen Phrasen wie „schont die Umwelt“, „regionaler Anbau“ oder „natürliches Aroma“ sollten die Alarmglocken schrillen. Diese Werbephrasen können beliebig auf eine Verpackung gedruckt werden. „Aus kontrolliert biologischem Anbau“ hingegen ist gesetzlich geschützt und kann nicht ohne geprüften Nachweis als Marketingmittel eingesetzt werden. Genauso geschützt sind die Begriffe „Bio“ und „Öko“, „Biologisch“ und „Ökologisch“ wiederum nicht. Details in der Wortwahl, die einen gewaltigen Unterschied machen können.
Kühe in Frieden
Ein weiteres beliebtes Greenwashing-Stilmittel ist die visuelle Produktgestaltung. Schöne, naturnahe Aufnahmen wie eine fröhlich dreinblickende, wohlgenährte Kuh auf der satten Blumenwiese suggerieren eine umweltfreundliche Tierhaltung und Herstellung. Dahinter steckt die Taktik, Verbraucher*innen ein vorgefertigtes, klischeebehaftetes Bild vorzulegen, um von unwürdigen Bedingungen und Tierausbeutung abzulenken. Harmonische Bilder im Kopf entstehen, die bittere Realität wird dadurch ausgeblendet. Eine auffällig grüne Farbgebung soll ebenfalls für Nachhaltigkeit stehen – zum Beispiel die „Coca-Cola Life“ mit grünem statt ikonischem roten Etikett. Der Konzern hat dabei nie die Buzzwords „grün“ oder „nachhaltig“ aktiv kommuniziert, die Assoziation wird aber automatisch hergestellt. Eine dreiste Manipulation unserer Wahrnehmung.
Ein Produkt mit sieben Siegeln
Immer wieder finden sich diverse Siegel auf Lebensmittelverpackungen. Ein äußerst beliebtes Mittel im Marketing. Siegel sehen oftmals so offiziell aus und strahlen Vertrauen durch Kontrolle aus. Mittlerweile gibt es so viele, dass man kaum noch hinterherkommt. Verbraucher*innen sollen bewusst überflutet werden, bis keiner mehr weiß oder sich dafür interessiert, wofür diese Siegel eigentlich stehen und was sie garantieren. Hinzu kommt, dass nicht jedes Siegel auch staatlich geprüft ist, manchmal sogar ausgedacht wird: „Aus kontrolliertem Anbau“ klingt super, muss aber rein gar nichts aussagen, da es jede Firma behaupten und als hübsch designtes Siegel auf die Verpackung drucken kann. Es gibt viele sinnvolle und gute Siegel: FSC bei Papier, Bio bei Lebensmitteln, oder der Grüne Knopf bei Kleidung. Doch es lohnt sich, auch hier die offiziellen Siegel kritisch zu hinterfragen. So garantiert das bekannte Fairtrade-Siegel fair gehandelte Rohstoff, um zum Beispiel den Kakaobohnenanbau in Afrika zu fördern. Doch 2011 wurden die Kriterien aufgeweicht: Statt ursprünglich 50 Prozent reicht es nun aus, wenn lediglich 20 Prozent der Zutaten fair gehandelt sind, um das Siegel tragen zu dürfen. Auf der einen Seite wird argumentiert, dass nun auch die ärmeren Bauern eine Chance haben, mit ins Programm aufgenommen zu werden. Auf der anderen Seite gibt es Unternehmen mehr Freiheiten, ihre Produkte mit dem Label in ein nachhaltigeres Licht zu rücken. Das schlimmste daran: Mir wird als Verbraucher suggeriert, mit dem Kauf des Produktes etwas wirklich Gutes zu vollbringen. Dabei bewirkt es leider viel zu oft das Gegenteil. In manchen Fällen ist das eine bewusste Täuschung, doch wer will schon gerne verarscht werden? Die Unternehmen wälzen ihre Verantwortung an Verbraucher*innen ab, die fast immer nur durch ihre Kaufentscheidung Einfluss nehmen können Um besser durch den Siegel-Dschungel zu kommen, lohnt ein Blick auf Apps wie NABU-Siegel-Check oder CodeCheck.
Fazit: Transparenz macht den Unterschied
Nachhaltigkeit wird auch bei allen Unternehmen endlich ein bestimmendes Thema. Daher ist es vor allem in Marketing und PR ein beliebtes Buzzword, um Produkte in ein besseres Licht zu stellen. Wer als Unternehmen nachhaltig agiert und Verantwortung zeigt (in Unternehmen oft unter dem Begriff „Corporate Social Responsibility“ zusammengefasst), sollte das auch unbedingt kommunizieren. Doch es gibt einen schmalen Grat zwischen Verantwortung und dem Versuch, sich ein verantwortungsvolles Image verpassen zu wollen. Wer sich wirklich umfassend zu Produkten und Unternehmen informieren möchte, wird oftmals nur auf den jeweiligen Webseiten oder bei Verbraucherzentralen fündig. Unternehmen, die es mit der Nachhaltigkeit wirklich ernst nehmen, setzen sich zumeist nicht nur ehrgeizige Ziele, sondern sie benennen den konkreten Impact der eigenen Arbeit und sind dabei stets transparent. Denn wer mit offenen Karten spielt, setzt sich selbst unter Druck, die Versprechen wirklich einzulösen.