Egal, was wir online suchen, lesen, schreiben, schauen oder hören – es verbraucht Energie. Die übertragenen Daten sind unsichtbar, Verarbeitungsprozesse laufen im Hintergrund, während wir konsumieren. Wir machen uns kaum Gedanken über das Wie, solange das gewünschte Ergebnis prompt auf dem Bildschirm erscheint. Nur der Stromverbrauch ist sichtbar. Daher ist es umso wichtiger, das eigene Bewusstsein zu schärfen – nicht nur im Sinne der Stromrechnung. Alles, was über das Internet läuft, inklusive E-Mails, Facebook-Kommentare oder Online-Krankschreibungen wird über Server geregelt. Die Datenströme werden über Rechenzentren geleitet, welche über die ganze Welt verteilt sind. Diese Zentren verbrauchen viel Energie, auch der dezentrale Betrieb der Server frisst viel Strom. Allein ein Drittel der Energie geht dabei für die Kühlung der Rechner drauf. 2018 sollen die Rechenzentren in Deutschland fast sechs Millionen Tonnen CO² produziert haben.
80 Prozent des globalen Datenverkehrs werden durch Videoinhalte verursacht. VoD-Streamingdienste wie Netflix oder Disney+, Musikangebote wie Spotify oder iTunes sowie Videoportale wie YouTube oder Vimeo (aber auch Pornoseiten) tauschen etliche Datenmengen aus, fressen eine Menge Energie und weisen damit eine schädliche CO²-Bilanz auf – verursacht durch unser Konsumverhalten. Da lohnt sich ein genauer Blick auf die CO²-Bilanz der Dienste. So viel vorab: Streaming ist aus diversen Gründen klimaschädlich, aber noch lange nicht so gravierend wie eine lange Autofahrt, ein Flug oder gar eine Kreuzfahrt. Dennoch ist der Einfluss auf die Klimabilanz keineswegs zu unterschätzen. Wie hoch der CO²-Ausstoß letztendlich ist, hängt von Faktoren wie Serverstandort, Übertragungstechnologie oder dem Abspielgerät ab. Eine dynamische Rechnung, weshalb man die Werte in wissenschaftlichen Untersuchungen zumeist nur schätzen kann und je nach Studie die Angaben auch mal voneinander abweichen.
Wie nachhaltig ist „Netflix and Chill“?
Die Nutzung von VoD-Streamingdiensten wie Netflix und Amazon Prime Video erzeugen jährlich etwa 100 Millionen Tonnen CO², ungefähr so viel wie das Land Chile in einem Jahr auf dem Buckel hat. Dazu gesellen sich 80 Millionen Tonnen allein durch Pornokonsum und weitere 65 Millionen Tonnen durch Videoportale wie YouTube oder Vimeo. Zum Vergleich: Deutschland kommt pro Jahr insgesamt auf ca. 800 Millionen Tonnen CO²-Ausstoß. Der gesamte globale Online-Video-Konsum im Jahr 2018 zusammengerechnet ist äquivalent zum CO²-Ausstoß von Spanien. Laut dem französischen Thinktank „The Shift Project“ erzeugt eine halbe Stunde Netflix im Durchschnitt 1,6 Kilo CO² – in etwa so viel wie eine 6,3 Kilometer lange Autofahrt. Das Borderstep Institut wird konkreter und berechnet, dass eine Stunde Full-HD-Streaming etwa 100 bis 175 Gramm CO² produziert, was ein Kilometer Autofahrt mit einem Kleinwagen entspricht. Wird stattdessen in 4K gestreamt, erhöht sich der Wert um fast das sechsfache. Auch wenn sich die Zahlen stark unterscheiden, zeigen sie: Die Videoqualität hat einen großen Einfluss auf den Energiebedarf, ebenso wichtig ist das Abspielgerät. Der Trend geht zu immer größeren TVs und Bildschirmen, die dementsprechend mehr Energie benötigen – parallel zum steigenden Konsum und dem damit verbundenen erhöhten Datenaustausch. Neue, energieeffizientere Technologien gleichen das nur bedingt aus. Daher können wir nicht einfach digital so weiter konsumieren können, ohne dabei ein schlechtes Gewissen zu haben – #klickscham.
Musikstreaming: weniger Material, mehr Cloud
Ähnlich schädlich ist Musikstreaming. Einerseits ein enormer Fortschritt, dass durch Streaming und digitale Downloads weniger Material und Müll anfällt, da die Nachfrage nach physischen Tonträgern konstant sinkt. Doch weniger Treibhausgase entstehen dadurch nicht. Stattdessen speichern und verarbeiten riesige, auf der ganzen Welt verteilte Rechenzentren enorme Datenmengen für die Cloud. Beim Drücken des Play-Buttons bekommen wir von der logistischen Meisterleistung dahinter nichts mit. Musikstreaming verursacht daher vor allem versteckte ökologische Kosten für Umwelt und Klima. Eine Untersuchung berechnet: Allein der US-Musikmarkt ist im Jahr 2016 für circa 200 bis 300 Millionen Kilogramm CO²-Ausstoß verantwortlich. In der Untersuchung haben vor allem MP3-Downloads als Berechnungsgrundlage gedient. Heutzutage wird das CO²-Aufkommen mit Sicherheit noch größer sein, da Musikstreaming eine viel größere Rolle spielt als noch vor vier Jahren. Vor allem wird die Nutzung für 2020 durch die Corona-Pandemie auf der ganzen Welt noch weiter ansteigen.
Streaming-Anbieter und ihre Energiebilanz
Doch bevor hier alle Anbieter verteufelt werden: Streamingdienst ist nicht gleich Streamingdienst. Greenpeace hat in der Studie „Clicking Clean“ von 2017 die beliebtesten Anbieter untersucht und bewertet. Entscheidend sind wiederum die Serverstandorte, der Energieverbrauch und der Anteil an erneuerbaren Energien im Strommix. Im Bereich Video schnitt YouTube am besten ab, Netflix hingegen schlecht. Bei Musik steht iTunes an der „grünen“ Spitze, Spotify aber ist weit abgeschlagen. Noch schlechter in Sachen CO²-Bilanz wird nur Soundcloud eingestuft. Abgesehen vom Angebot des jeweiligen Dienstes können wir auch mit der Wahl unseres Abos zu einem nachhaltigeren Onlinekonsum beitragen und nebenbei den Druck auf „umweltschädliche“ Anbieter erhöhen.
Bewusstsein für unsichtbare Prozesse schaffen
Daten sind unsichtbar, aber hinterlassen trotzdem ihre Spuren in der Klimabilanz. Oftmals sind es die versteckten ökologischen Kosten des blitzschnellen globalen Datenaustausches, die wir nicht auf dem Schirm haben. Dafür ein Bewusstsein zu entwickeln, ist beim Konsum von Videos, Musik (oder Pornos) ganz schön schwierig. Erst eine gesetzlich klar definierte CO²-Steuer würde uns wohl brutal vor Augen halten, was unser Datenaustausch, Binge-Watching und all die (unnötigen) Suchanfragen wirklich verursachen. Auf den Weg zu einem nachhaltigeren Medienkonsum stehen natürlich vor allem die Anbieter in der Verantwortung. Ein Hebel ist zum Beispiel die Autoplay-Funktion, die zu endlosem Konsum geradezu einlädt, auch wenn wir es gar nicht wollen. Auch können Dienste wie Netflix oder Spotify ihre Server energieeffizienter betreiben und noch mehr in neue, energiesparende Technologien investieren. Aber wie so oft beim Thema Nachhaltigkeit gilt: Eine grundlegende Veränderung setzt auch ein Umdenken von uns allen voraus! Wir müssen uns erst bewusst werden, welche ökologischen Konsequenzen unser digitales Treiben hat. Danach geht es um das Hinterfragen von Routinen, am Ende kommt der Verzicht. Und mit ihm der Genuss des bewussten Konsums.
Quellen
https://www.mdr.de/nachrichten/politik/inland/faktencheck-internet-schlimmer-als-fliegen-100.html
https://theshiftproject.org/wp-content/uploads/2019/07/2019-02.pdf
http://www.janavirgin.com/CO2/
https://www.wannundwo.at/story/2020/01/14/wie-viel-klima-kostet-das-internet.wawo
https://www.gla.ac.uk/media/Media_643298_smxx.pdf
https://www.borderstep.de/wp-content/uploads/2020/06/Videostreaming-2020.pdf