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NN #9 – Wie Home Office und Videokonferenzen zum Klimaschutz beitragen können

Die Corona-Pandemie hat unser Berufsleben und unsere Freizeit fundamental verändert. Das Virus drängt uns in die eigenen vier Wände, Millionen Menschen verbringen ihren Arbeitsalltag seit Monaten im Home Office. Die Gesichter von Kolleg*innen sieht man höchstens mal in einer Videokonferenz. Dafür fallen viele Geschäftsreisen und die nervige Pendlerei weg, eine gute Nachricht für den Umweltschutz. Wie unsere Klimaziele auch Post-Corona von Home Office und Online-Videokonferenzen profitieren könnten, hat jetzt eine repräsentative Studie vom Borderstep Institut und dem VCD Verkehrsclub erforscht.

Videocall killed the businesstrip

Geschäftsreisen und Pendeln sind in Deutschland fest etabliert: Jeder dritte zurückgelegte Kilometer ist beruflich bedingt. Die Anzahl der Dienstreisen nahm in den vergangenen Jahren konstant zu und erreichte 2019 mit 195 Millionen Geschäftstrips einen vorläufigen Höhepunkt. Der Berufsverkehr ist für ein Fünftel der Emissionen in Deutschland verantwortlich – der Wert ist in den vergangenen 20 Jahre kaum gesunken. Fortbewegungsmittel Nummer eins ist und bleibt das Auto, auch weil das Prinzip Dienstwagen so weit verbreitet ist. Aber auch zwei Drittel des innerdeutschen Flugverkehrs gingen fürs Business drauf – eine bedenkliche Entwicklung.

Dann kam Corona und die Zahl der Dienstreisen brach 2020 um satte 75 Prozent ein. Die Ausnahmesituation Pandemie stellt uns alle auf eine harte Probe, gleichzeitig scheint sie die dringend benötigte Beschleunigung für Deutschlands Digitalisierung zu sein. Denn so modern und digital Freizeit und Arbeit in Deutschland gerne sein will, die Realität war vor Corona eine andere. Nur ein gutes Viertel der Arbeitnehmer*innen hatten wöchentlich mindestens eine Onlinekonferenz über Zoom, Skype und Co. In den Lockdowns saßen plötzlich 30 Prozent täglich in mindestens einem Videocall. Das zumindest ergab die repräsentative Befragung von 500 Geschäftsreisenden vom Borderstep Institut für Innovation und Nachhaltigkeit und dem VCD Verkehrsclub Deutschland e.V.

Laptop im Home Office
Foto: Unsplash

Eine Win-Win-Win-Situation

Home Office und Videocalls können einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Sobald eine Anreise per Auto länger als fünf Kilometer ist, lohnt sich eine Videokonferenz fürs Klima – trotz des hohen Energieaufwands für den digitalen Datenaustausch. Würden mehr Menschen auch nach der Pandemie dauerhaft auf Home Office setzen, könnte das laut Berechnungen der Studie allein in Deutschland jedes Jahr ca. 3 Millionen Tonnen Treibhausgasemissionen einsparen. Weniger Berufsverkehr bedeutet langfristig weniger Staus, Abgase und Lärm sowie größere Sicherheit im Straßenverkehr. Dafür besteht die Aussicht auf mehr Rad- und Fußwege.

Für Mitarbeiter*innen springt in erster Linie mehr Freizeit raus. Daher würden viele Befragte auch nach Corona ihre Geschäftsreisen reduzieren und öfters von daheim aus arbeiten – auch wenn der persönliche Kontakt zu Kolleg*innen weiterhin geschätzt und gesucht wird. Unternehmen hingegen sparen Geld für Büromiete, Geschäftsreisen und Dienstwagen und können stattdessen in nachhaltigere Ansätze und Incentives für ihre Mitarbeiter*innen setzen.

Doch wie beim Klimawandel ist auch die Berücksichtigung möglicher Rebound-Effekte und unterstützender Effekte wichtig. Wer ortsunabhängiger arbeitet, hat auch mehr Möglichkeiten bei der Wahl des Wohnortes. Das könnte langfristig der „Landflucht“ entgegenwirken, weil Menschen nicht mehr in Städten wohnen müssen. Das hat aber auch den Nachteil, dass zusätzliche notwendige Wege – wie der Gang zum Supermarkt – anstehen, die früher beim Pendeln erledigt wurden. Außerdem steigen die Kosten in den eigenen vier Wänden, zum Beispiel für Strom und Heizung. Das muss individuell mit den Kosten am Arbeitsplatz verglichen werden.

Frau im Videocall
Foto: Pexels

Was nach der Pandemie ansteht

Die Corona-Pandemie hat uns Chancen aufgezeigt, den Berufsverkehr in Zukunft nachhaltiger und umweltfreundlicher zu gestalten. Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, profitieren alle: Dafür braucht es Anreize von Unternehmen und ÖPNV sowie gesetzliche Rahmenbedingungen seitens der Politik.

So können Unternehmen weniger auf Dienstwagen und Geschäftsreisen und vielmehr auf nachhaltigere Ansätze wie mobiles Arbeiten oder Home Office setzen, sofern möglich. Oder wie wäre es mit einem Dienstrad statt -auto? Betreiber öffentlicher Verkehrsmittel müssen nach der Covid-19-Pandemie ein Stück weit Vertrauen zurückgewinnen – etwa mit schlüssigen Hygienekonzepten, die gemeinschaftliches Reisen weiterhin sicher macht. Darüber hinaus braucht es ein breiteres Angebot für Berufstätige, etwa spezielle Dienstmonatskarten oder eine 365-Euro-Jahreskarte, wie sie schon in vielen Städten Deutschlands angeboten wird. So wird ÖPNV in Zukunft nicht nur im Hinblick auf Klimaschutz attraktiver als das Auto oder das Flugzeug.

Doch vor allem die Politik kann mit neuen Gesetzen etwas ändern. Dienstwagenprivilegien und Pendlerpauschalen sind aus der Zeit gefallen und setzen langfristig falsche Anreize. Hier braucht es gesetzliches Umdenken und nachhaltigere Konzepte in der Stadt- und Verkehrsplanung: Wie wäre es zum Beispiel mit staatlich geförderten Radschnellwegen und Schnellbussen entlang beliebter Pendlerstrecken? Momentan scheint vor allem das Verkehrsministerium unter der Leitung von Andreas Scheuer keine Gesprächsbereitschaft zu zeigen, so das Borderstep Institut und der VCD. Ein Regierungswechsel müsste her, die Chance dafür bietet sich im September.

Weitere Insights und die komplette Studie gibt es hier.

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